Meisterporträt Thomas Kernle

„…. Weil ich immer noch nicht ausgelernt habe!“ – Der Schmied Thomas Kernle aus Tegernbach schwingt auch heute noch gelegentlich den Hammer 

Seine Werke werden weit länger leben als er selbst – die schmiedeeisernen Grabkreuze, Eingangstore und Geländer, die Thomas Kernle in seinen rund 60 aktiven Berufsjahren als Kunstschmied geschaffen hat. Und darüber freut er sich, denn genau das hat ihn an der Arbeit mit Eisen sein Leben lang fasziniert: Feuer, Ambos, Hammer und Muskelkraft bringen starres Material in eine neue Form. Und das überdauert dann Generationen. TK vor Kirche

 

Auf die Werke von Thomas Kernle trifft man v.a. an und in der Kirche St.-Stephan und St. Magdalena in seinem Heimatdorf Tegernbach.

 

Einige Beispiele: Am Fuß der Kirche neben dem Kriegerdenkmal steht ein kunstvoll gestaltetes schmiedeeisernes Kreuz zum Gedenken an die Toten des Ortes. Das Geländer an der steilen Treppe zum Kircheneingang ist ohne Schweißen nach alter Schmiedekunst zusammengesteckt. Und der Sakristei-Anbau an der Kirche wird durch eine von ihm geschmiedete „Schlauder“ zusammengehalten. 

 

Auch an seinem Zuhause erkennt man auf den ersten Blick, dass hier ein Schmied wohnt: Das Gartentürchen ist sein Meisterstück, kunstvoll geschwungene schmiedeeiserne Blattornamente und ein verziertes Bayern-Schmiede-Wappen in der Mitte. Sogar das Kreuz für sein eigenes Grab steht schon fertig in seinem Atelier. Thomas, wir wünschen dir und deiner Ehefrau Rosi, dass es noch lange dort stehen bleibt. 

 

Sein Ruf als hervorragender Schmiedemeister brachte Kernle zahlreiche Aufträge in der Umgebung ein, v.a. im Pfarrgemeindeort Baindlkirch, in Mering und Wasserburg. Für kleinere Aufträge ist er auch heute noch zu haben. Die Frage, warum er nicht aufhört zu arbeiten, beantwortet er in einer Reportage von München TV: „Weil ich noch nicht ausgelernt habe!“  

 

Und wie ist aus dem Lehrling, der in der elterlichen Schmiede v.a. für die Reparatur zerbrochener Eisenteile an landwirtschaftlichen Maschinen und Gerätschaften ausgebildet worden war, ein Kunstschmied geworden? Kernle führt es auf die Schmied-Gene zurück. Denn er ist 1939 in eine Tegernbacher Schmiedefamilie hineingeboren worden, deren Geschichte bis 1795 zurückreicht. Er erklärt: „Der Schmied war früher im Dorf nicht nur fürs Grobe zuständig. Er hat alles gemacht, was aus Eisen war.“ Beim Zweitgeborenen Thomas hat sich offensichtlich das künstlerische Schmied-Gen am stärksten durchgesetzt, während sich seine Brüder im Lauf der Jahre auf Landmaschinenmechaniker bzw. Spengler und Heizung-Sanitär-Installation spezialisierten.  

 

Auf Urlaubsfahrten nach Südtirol, Frankreich und Rom standen Kirchen- und Ausstellungsbesuche im Vordergrund auf der Suche nach Vorbildern und Anregungen. Manchmal zum Leidwesen der beiden heranwachsenden Kinder, denen ein Schwimmbadbesuch lieber gewesen wäre. 

 

Die Beschäftigung mit der traditionellen Schmiedekunst hat in Thomas Kernle das Interesse für die Vergangenheit ganz allgemein geweckt. Er kennt die Geschichte Tegernbachs, v.a. die der Kirche St.-Stephanus, bis ins kleinste Detail.

Auch zeigt er bei Exkursionen des Vereins Dorfbelebung, wo in der Region eine Wallanlagen aus der Hallsteinzeit war und wo die römische Villa Rustica stand. Und er bereicherte die  Jubiläumsschriften der Freiwilligen Feuerwehr Tegernbach mit seinem profunden historischen Wissen.

 

Text und Foto: Katharina Schlamp, Verein Dorfbelebung Mittelstetten e.V.